KUNSTLEBEN

Heidi Zenz arbeitet als Künstlerin ähnlich einer Alchimistin und Forscherin. Sie beobachtet, sammelt, ordnet, archiviert, experimentiert und malt mit selbst erzeugten Farben. Die Natur bietet ihr eine unerschöpfliche Ressource an Ingredienzien und Fundstücken. Immer angetrieben vom ästhetischen Zauber erforscht sie die tiefgründige Sinnlichkeit ungewöhnlicher Materialien und Strukturen.

In aufwändigen und zeitintensiven Arbeitsschritten wie Reinigen, Sortieren, Sieben, Reiben, Mörsern, Zerstampfen oder Verbrennen bereitet die Künstlerin die in ihrer nahen Umgebung rund ums Ibmer Moor sowie an fernen Orten gesammelten Naturalien zur künstlerischen Weiterverarbeitung auf. Durch Beobachtung und Experiment verfeinert sie beständig ihre selbst entwickelten Techniken und Methoden. Jedes Material und jede Technik verlangt ihre eigene Vorgehensweise, die auf jahrelanger Erfahrung basiert. Blaualgenteppiche z.B. schöpft die Künstlerin vor Ort direkt auf das Papier, während sie Grünalgen in Eimern aus den nahen Tümpeln birgt und im Atelier verarbeitet. Rasches Handeln ist auch hier geboten. 

In ihren vielfältigen Mischtechniken und Installationen geht die Künstlerin mit Urmaterialien wie Schlamm, Erde, Torf, Algen u.v.m. den Urgründen des weltlichen Seins auf den Grund. Der göttliche Plan offenbart sich in den mit Vivianit Blau bemalten Käferfraßspuren ebenso wie in den Fließspuren ihrer Schlammbilder.



Jeder Schlamm hat seine eigene Konsistenz und Fließgeschwindigkeit. Jeder Schlamm, jedes Torfstück, jede Erde enthält die Mikroinformationen eines bestimmten Ortes, die ganz spezielle Zusammensetzung aus biologischen, geologischen und historischen Spurenelementen. Jeder Schlamm reagiert anders, jedes Torfstück gibt verborgene Fundstücke frei und jede Erde ergibt eine eigene Farbnuance. 

Die archaischen Erdfarben, die Heidi Zenz selbst mischt, erzeugen je nach Aufbereitung der Erdpigmente grob- oder feinkörnige Farboberflächen. In ihren nach Ländern geordneten Erdtabellen wird dieser Farbenreichtum aus unendlichen Variationen von Grau-, Grün-, Blau-, Braun-, Gelb-, Beige-, Orange- und Rottönen deutlich sichtbar. Kein Beige-Ton gleicht dem anderen – Erde ist nicht gleich Erde. Ihr Archiv umfasst hunderte Proben von Erdfarbpigmenten, die nach Herkunftsorten sortiert sind. Die reiche Farbpalette kommt auch in ihren groß angelegten Installationen wie Erdteppichen und Farbpyramiden temporär zum Einsatz.

Jedes ihrer Werke ist das unikate Endprodukt eines intensiven Dialoges aus haptischen Berührungen zwischen der Künstlerin und ihrem Material. In dem faszinierenden Wechselspiel aus Materialbestimmtheit und kontrolliertem Zufall gelingt Heidi Zenz die Symbiose aus Kunst und Natur. Das natürliche Chaos wird zum künstlerischen Kosmos.  

 

Dr. Verena Traeger

Kulturanthropologin und Kunsthistorikerin